Konservative Netzwerker

„60 Prozent der Menschen in unserem Land möchten eine andere Politik. Trotzdem geht es seit der Bundestagswahl 2017 weiter wie bisher“, so der Journalist Klaus Kelle am vergangenen Samstag auf dem inzwischen dritten „Schwarmintelligenz”-Treffen. Über 200 Menschen waren gekommen, um sich an diesem Wochenende zu vernetzen. Kelle möchte der „bürgerlichen Mitte wieder eine Stimme zu geben“. Man müsse vom Sofa aufstehen, um vom Zuschauer zum Handelnden im politischen Geschehen zu werden. „Es gibt viele Farben in unserem Land, nicht nur rot und grün“, so Kelle. Die nach Paderborn gereisten Teilnehmer repräsentierten dann auch tatsächlich ein Milieu, dass sich immer stärker in die Defensive hat drängen lassen. Diskussionen, so hat man oft den Eindruck, finden nur noch polarisierend an den Rändern statt. Die bürgerliche Mitte ist zur schweigenden Mehrheit degradiert. Dabei sind die Aussichten gar nicht so schlecht, wie man glauben könnte. Das verdeutlichte die Zeitgeistforscherin Kirstine Fratz in ihrem Eröffnungsvortrag „Warum Konservative die politische Avantgarde sind“. Für Fratz erobert im Moment das Konservative den Zeitgeist in der Gesellschaft zurück – im Berufsleben, im Alltag und auch in der Werbung. Diese These machte Fratz an vielen Beispielen fest.

Höhepunkt war die Diskussion mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zum Thema „Deutschland 2030 – für eine neue Politik der Mitte“. Spahn beklagte die Qualität der Debattenkultur. Wirkliche Diskussionen fänden nicht mehr statt. Immer gäbe es erst die Moralfrage, die dann die Sachfragen totschlagen würde. Mit Spahn nahm erstmals ein Parteipolitiker an dem Treffen teil. In der Diskussion wurde deutlich, dass es sich in Paderborn nicht um einen homogenen Block von Menschen handelt, sondern eben wirklich eine bunte Mischung zusammengekommen ist. Während der Bundesgesundheitsminister vielen CDU-Anhängern als Hoffnungsträger einer Union nach Angela Merkel gilt, trauten ihm andere Teilnehmer an diesem Tag überhaupt nicht. Mit der angestoßenen Debatte in der Organspende dürfte Spahn auch unter Katholiken auf viele Kritiker treffen. Der Gesundheitsminister betonte hier, dass er lediglich eine Diskussion anstoßen wolle, die er für überfällig halte. Auch als es um Migration ging und er deutlich eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnte, gab es lautstarken Widerspruch und sogar Buhrufe. Aber der Minister hatte offensichtlich keine Claqueure erwartet. Er nahm die hitzige Diskussion auf und hielt dagegen.

Kelle ist es gelungen, ein vielfältiges Spektrum an Teilnehmern nach Paderborn zu locken. Es herrschte keine Wagenburg-Mentalität, stattdessen wurde immer wieder untereinander diskutiert, auch hitzig. „Es war ein Marktplatz des bürgerlichen Lagers“, so das Resümee Klaus Kelles gegenüber der Tagespost. Wenn man wieder stärker wahrgenommen werden wolle, dann brauche es ein Forum für Menschen, die etwas zu sagen haben. Im nächsten Jahr wolle man sich dann in Berlin treffen. Dann könnte das Gesamtformat noch einmal ausgebaut werden.

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