„Es ging eher unentschieden aus“

USA-Experte Thomas Jäger analysiert das TV-Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump.

Im Nachgang des TV-Duells sahen viele Beobachter Hillary Clinton klar als Siegerin. Teilen Sie diese Auffassung?

Hillary Clinton war konzentrierter und behandelte viele Themen. Dabei stand sie die ganze Debatte mit einem Lächeln durch, das alle Angriffe von Trump abwehren und gleichzeitig dokumentieren sollte, wie gelassen und überlegen sie ist. Das ist ihr teilweise gelungen, wirkte dann aber zunehmend eingeübt. Trump musste zeigen, dass er in der Sache nicht so tief informiert ist. Aber er brachte seine Botschaft an, indem er drei Themen immer wieder herausstellte: Jobs durch bessere Handelspolitik schaffen; Recht und Ordnung auf den amerikanischen Straßen wieder herstellen; nicht den Weltpolizisten auf Kosten der amerikanischen Bürger geben. Aus meiner Sicht ging es also eher unentschieden aus. Dass jetzt mehrere Umfragen zeigen, dass entweder Clinton oder Trump die Debatte gewonnen haben, ist Teil der PR der Kampagnen.

Verfolgte man das Duell, dann hatte man den Eindruck, dass vor allem längst bekannte Positionen der Kontrahenten wiedergegeben wurden. Kann das die 20 Prozent der unentschlossenen Wähler überzeugen?

Es ging in der Debatte nur nebensächlich um die politischen Positionen. Vor allem wollten die Zuschauer sehen, wie die beiden Kontrahenten aufeinandertrafen, wer wen unter Druck setzte und wer dem gut oder schlecht standhielt. Es ging um Charakter, Auftreten und die nonverbale Kommunikation. Da war Trump zu Beginn etwas stärker, knickte dann aber recht rasch ein und ließ sich in die Defensive drängen. Seine Steuererklärung, seine Haltung gegenüber Frauen und die Frage, ob Präsident Obama in den USA geboren sei – was Trump bis vor kurzem bezweifelte – zwangen ihn in die Verteidigung. Anders als früher, befreite er sich hieraus nicht mit ebenso harten Angriffen auf Clinton. Da wollte er nicht zu harsch auftreten. Möglicherweise hat ihm das in der öffentlichen Wahrnehmung geholfen. Die Angriffe auf Clinton kann er dann anderswo führen.

Trump setzte darauf, Clinton als Teil des Establishments hinzustellen. So sprach er sie mehrfach als „Frau Ministerin“ an. Inwieweit kann das Clinton schaden?

Die Zeichen in den USA stehen auf Veränderung. Drei Viertel der Amerikaner sagen, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt; zwei Drittel halten das politische System für irgendwie korrupt. Diese Stimmung bedient Trump. Clinton konnte sich vor acht Jahren gegen die Parole vom Wandel gegenüber Barack Obama nicht durchsetzen. Jetzt ruft wieder einer Wandel, und sie muss erneut zeigen, dass stückweise Reformen des politischen Prozesses die bessere Alternative sind. Ob das gelingt? Bisher steht es Kopf an Kopf, und es bekommt ihr nicht gut, wenn sie als Teil der Elite dargestellt wird. Die Amerikaner suchen eine kompetente Präsidentin, ebenso aber auch einen, der die Verhältnisse ändert.

Trump wirkte unvorbereitet und streckenweise fahrig. Haben Sie den Eindruck, dass das bei seinen Wählern Sympathien kosten könnte? Welche Hoffnungen verbinden die Wähler Ihrer Meinung nach mit Trump?

Trump kokettierte damit, sich nicht vorbereiten zu müssen. Das hätte er mal besser intensiver getan. Denn er ließ Chancen aus, Clinton in ihren Skandalen zu stellen. Ob er sich das für später aufgehoben hat? In einigen Sachfragen spürte man, wie er nach Umwegen suchte, um Fragen nicht beantworten zu müssen. Er hat nicht zu jedem Thema vier Punkte auswendig gelernt. Aber das haben aus meiner Sicht seine Unterstützer auch nicht erwartet. Zudem ist die inhaltliche Auseinandersetzung rasch vergessen. Es bleiben einige Merksätze und der generelle Eindruck. Ich denke, er konnte nicht viele Wählergruppen hinzugewinnen, aber seine Unterstützer sind mit dem Auftritt insgesamt zufrieden. Mal sehen, was die zweite Debatte bringt. Da können die Kandidaten noch etwas ausprobieren, was sie in der dritten ausgleichen können.

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