Interview mit dem kirchenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Hermann Gröhe.
Herr Gröhe, welche Bedeutung hat das „C“ heute noch für die Union?
Das „C“ ist unser Kompass! Und unsere Politik wird wesentlich von Frauen und Männern bestimmt, deren Motivation und ethische Grundorientierung dem eigenen christlichen Glauben entspringt. Zugleich sind wir offen für alle, die unsere Gesellschaft auf der Grundlage unserer im christlichen Menschenbild verankerten Überzeugungen mitgestalten wollen.
Müsste nach Ihrer Meinung das „C“ in den nächsten Jahren wieder stärker herausgestrichen werden?
Wir sind immer wieder gefordert, die Verankerung unseres politischen Tuns in unseren christlich geprägten Grundüberzeugungen zu erklären. Und sicherlich kommt dies im politischen Alltagsgeschäft mitunter zu kurz. Deshalb ist die Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms eine große Chance! Es geht darum, unsere Grundüberzeugung im Leben heutiger Menschen und bei der Bewältigung der vor uns liegenden Aufgaben zur Geltung zu bringen. Schon Konrad Adenauer stand für eine kluge Balance von Tradition und Moderne!
In der Union wird intensiv über die Besetzung des Begriffs „Konservativ“ diskutiert. Spielt die Stärkung des christlichen Profils hier auch eine Rolle?
Viele Christen sind im besten Sinne konservativ, wollen die christliche Prägung unseres Landes bewahren oder stehen etwa für eine besondere Wertschätzung von Ehe und Familie. Und dies gehört ganz wesentlich zum Grundbestand unserer Überzeugungen. Zugleich gehört zum Christlichen auch das Einstehen füreinander, also das Soziale, und freiheitliches Denken, gehört doch zum christlichen Menschenbild ganz untrennbar die Berufung zur Freiheit in Verantwortung.
Wo sehen Sie das Leitbild, das eine Gesellschaft – die immer vielfältiger wird – zusammenhalten kann und damit Rechtsfrieden garantiert?
Die grundgesetzliche Ordnung, die ja ganz wesentlich vom Christentum geprägt ist, bildet hier einen guten Rahmen. Angesichts vielfältiger Herausforderungen im eigenen Land wie international wollen wir den Rechtsstaat weiter entschlossen stärken. Zugleich braucht der Zusammenhalt einer Gesellschaft mehr als die Durchsetzung des Rechts. Dazu gehört ein respektvoller Umgang miteinander, eingeübt in Elternhaus und Schule, gelebt vom Straßenverkehr bis zur öffentlichen Debatte.
Bei der Frage, inwieweit der Islam zu Deutschland gehört, bestand Uneinigkeit in der Union. Können Sie die Ängste in der Gesellschaft vor dem politischen Islam und dem Islamismus verstehen?
Ja natürlich verstehe ich solche Ängste! Islamistische Kräfte haben dem Westen, und damit unserer Lebensweise, ja unverhohlen den Krieg erklärt, verantworten schrecklichste Terroranschläge. Doch wir werden diese Auseinandersetzung nur gemeinsam mit der übergroßen Mehrheit der friedliebenden Muslime in der Welt gewinnen. Islamfeindliche Verallgemeinerungen nützen dagegen nur den Radikalen. Und wer die CDU zu Recht gerne an das „C“ erinnert, der sollte nicht vergessen, mit welcher hohen Wertschätzung etwa Papst Johannes Paul II., aber auch seine Nachfolger, über den Islam gesprochen haben.
Ihre Partei betont immer wieder den „Schutz des menschlichen Lebens“. Wo sehen Sie hier die Herausforderungen der kommenden Jahre in der politischen Debatte?
Sicherlich geht die Debatte über eine menschliche Sterbebegleitung weiter. Dabei ist es der großen Geschlossenheit der Union zu verdanken, dass der Deutsche Bundestag 2015 ein Verbot der organisierten Hilfe zur Selbsttötung beschlossen hat. Hier geht es jetzt vor allem darum, durch einen weiteren Ausbau der palliativmedizinischen und hospizlichen Versorgung überall im Land auch jenen glaubwürdig entgegentreten zu können, die sogenannter Sterbehilfe – in Wahrheit geht es um „Tötung auf Verlangen“! – das Wort reden.
Aber auch bei den Fortschritten in der vorgeburtlichen Diagnostik, mit denen sich zum Teil auch verbesserte Heilungschancen verbinden, geht es darum, immer wieder deutlich zu machen: Auch ein behindertes ungeborenes Kind hat ein Recht auf Leben!
Ist mit dem Rückzieher der SPD bei der Frage des Werbeverbots bei Abtreibungen die Kuh vom Eis oder ist mit einem Alleingang der SPD im Laufe der Legislaturperiode zu rechnen?
Wir brauchen mehr Werbung für ein „Ja zum Kind“. Eine Aufhebung des Werbeverbots im Hinblick auf Abtreibungen kommt für die Union nicht infrage. Regierungsseitig wird nun geprüft, ob und wo es gegebenenfalls Informationslücken gibt. Wir werden uns das Prüfungsergebnis genau ansehen, das Werbeverbot aber entschlossen verteidigen.
Ihre Fraktion hatte für den Fall, dass der Gesetzentwurf der SPD durchgekommen wäre, eine Verfassungsklage angekündigt. Bleibt es am Ende auch hier nur bei einer leeren Drohung wie im Fall der „Ehe für alle“, die trotz rechtlicher Bedenken in Ihrer Fraktion scheinbar nicht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird?
Die bayerische Staatsregierung hat in zwei Rechtsgutachten die Erfolgsaussichten einer Verfassungsklage gegen die sogenannte „Ehe für alle“ geprüft und sich nach eingehender Beratung aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten gegen eine entsprechende Verfassungsklage entschieden. Der Respekt vor unserer Verfassung gebietet hier eine intensive Prüfung. Aussichtslose Verfassungsklagen sind kein taugliches Mittel in der politischen Auseinandersetzung.
Inwieweit ist der christliche Glaube für Sie ein Motor Ihrer Arbeit und wo zeigt sich das aus Ihrer Sicht?
Ich gehöre der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland fast genauso lange an wie dem Deutschen Bundestag, war zwölf Jahre Mitglied des Rates der EKD. In meiner Heimatstadt habe ich eine Reihe von Jahren das Diakonische Werk geleitet. Auch bei Parlamentsdebatten etwa um eine menschenwürdige Sterbebegleitung habe ich nie ein Hehl daraus gemacht, dass mein politisches Handeln wesentlich von meinem christlichen Glauben geprägt ist.
Und ich bemühe mich darum, auch in den notwendigen, zum Teil harten politischen Auseinandersetzungen einen Stil zu pflegen, der meinem christlichen Bekenntnis entspricht.
Dieses Interview ist am 21.06. 2018 in der TAGESPOST erschienen.