Dynamik der Radikalen

Sven Lau (links) zusammen mit Pierre Vogel bei einer Kundgebung 
Von ireas - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33249263

 

Der salafistische Szene in Deutschland ist so groß wie nie.

Der Salafismus ist die dynamischte islamistische Bewegung in Deutschland. Gerade erst hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ein neues Rekordhoch gemeldet. Der Salafismus hat nach Angaben des Inlandgeheimdienstes im Moment 10 800 Anhänger. Im September waren es noch 10 300 Menschen. Die Zahl ist also so hoch wie noch nie. Beim Salafismus handelt es sich um eine Strömung im Islam, die sich an den strengen Lehrmeinungen des Wahhabismus orientiert. Er betrachtet allein die Handlungen und Anschauungen des Propheten Mohammed und dessen Generation sowie der beiden nachfolgenden Generationen als Vorbild für alle Zeiten. Ziel dieser Strömung ist die Errichtung eines islamischen „Gottesstaates“. Salafistisches Gedankengut bietet den Nährboden für eine islamistische Radikalisierung, bis hin zur Rekrutierung junger Menschen für den militanten Dschihad.

Viele der in Deutschland bisher identifizierten terroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen waren salafistisch geprägt. Was macht also die Attraktivität dieser Szene aus? Mit seinem Absolutheitsanspruch, der Vermittlung des Gefühls, im Besitz der reinen Wahrheit zu sein und des Gefühls der Geborgenheit und des Gebens von Orientierung hat der Salafismus wie keine andere islamische Strömung eine hohe Anziehungskraft auf Konvertiten ohne Migrationshintergrund und muslimische Jugendliche, die vor ihrer Hinwendung zum Salafismus kaum religiöse Berührungspunkte hatten. In einer zunehmend unübersichtlichen, als wertefrei empfundenen Welt bieten Salafisten jungen Menschen scheinbaren Halt. Sie locken mit einer Aufnahme in eine exklusive Gemeinschaft, die sozialen Zusammenhalt schafft und offen für jeden ist, der sich ihren Vorgaben fügt.

In der Deutung der Motive, warum der Salafismus Zulauf bekommt, gibt es in der Wissenschaft verschiedene Ansätze. Der französische Politologe Olivier Roy etwa sieht im Islamismus die globale Gegenkultur zum aktuellen Status quo. Statt von „Radikalisierung des Islams“ spricht Roy daher von einer „Islamisierung von Radikalität“. Salafismus sei so inzwischen eine Jugendströmung geworden. Einen anderen Akzent setzt der französische Sozialwissenschaftler Gilles Kepel. Er hebt die religiöse Dimension des radikalen Islamismus hervor. Zwar spielten auch soziale Faktoren eine Rolle, am Anfang stünde aber eine „Salafisierung der Köpfe“.

In Deutschland hat sich die salafistische Szene verändert: Fiel sie in den letzten Jahren vor allem durch öffentliche Verteilaktionen des Korans, öffentliche Massenkonversionen und Internetauftritte auf, erkennen die Sicherheitsbehörden nun andere Tendenzen. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen sprach vor einigen Tagen von einer „Fragmentierung und Privatisierung des Salafismus in Deutschland“. Mehrere Schläge der Sicherheitsbehörden hätten den Salafismus in Deutschland schwer getroffen. Einer ihrer führenden Szeneprediger Sven Lau wurde im Juli wegen Unterstützung der Terrormiliz IS zu fünfeinhalb Jahre Haft verurteilt. Schon im November wurde der mutmaßliche Statthalter des IS in Deutschland, Abu Walaa, verhaftet und steht im Moment in Celle vor Gericht. Vereinsverbote taten das Übrige dazu, dass die Szene sich umstrukturiert. „Straßenmissionen“ gibt es so gut wie keine mehr. Die Rekrutierung und Ideologisierung der Anhänger findet nicht mehr in Moscheen und in überregional agierenden Organisationen statt, sondern in kleinen konspirativen Zirkeln oder im Internet. Vermehrt würden sich in letzter Zeit auch Frauennetzwerke herausbilden. Die Überwachung wird durch die Entwicklung in der Szene für die Sicherheitsbehörden erschwert.

Das BfV warnt weiter vor einer Bedrohung durch Islamisten aus dem Nordkaukasus. Diese hätten eine „Affinität zu Gewalt und Waffen“. „Extremistische Nordkaukasier waren, neben dem Tschetschenienkrieg in ihrer Heimat, aktuell auch an den Kämpfen in Syrien und Irak maßgeblich beteiligt. Sie sind kampferprobt und stellen ein hohes Gefährdungspotenzial dar“, so Maaßen.

Schließlich: Antisemitische Delikte in Deutschland nehmen zu. Auch wenn die Beteiligung von Islamisten für diesen Bereich nicht statistisch erfasst ist, gehen doch Experten davon aus, dass Angehörige aus dieser Gruppe hier eine größere Rolle spielen. Denn antisemitisches Weltbild und Islamismus liegen eng beieinander. So sprechen Salafisten in ihren Publikationen von einer weltweiten jüdisch-israelischen Verschwörung, deren Ziel es sei, den Islam zu zerstören. Der Staat Israel sei auf „muslimischer Erde“ gegründet worden und habe deshalb kein Existenzrecht. Zusätzlich finden sich immer wieder verunglimpfende Äußerungen über der Juden.

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