Keine Alternative für Christen

Olaf Kosinsky/Skillshare.eu

AfD pflegt ideologische Überhöhung der Nation. 

Vor zwei Wochen haben sich die deutschen Bischöfe gegenüber der AfD positioniert. „Wir distanzieren uns klar vom populistischen Vorgehen und vielen inhaltlichen Haltungen der Partei“, betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung in Bergisch Gladbach. Ist eine Partei wie die AfD trotzdem für einen Christen wählbar? Ist die politische Ausrichtung der AfD also mit dem christlichen Menschenbild vereinbar?

Ich bin der festen Überzeugung, sie ist es nicht. Dabei erkenne ich durchaus an, dass sich Christen in dieser Partei engagieren, die aus ihrer tiefsten christlichen Überzeugung heraus handeln. Ein Blick in den Entwurf des Wahlprogramms der AfD zur Bundestagswahl spricht durchaus Themen an, die man bei der christdemokratischen Union heute schmerzlich vermisst. Vor allem die familienpolitischen Aussagen der Partei kann man über weite Strecken als vernünftig bezeichnen. Auch die Positionierungen in der Frage des Lebensrechts werden von Christen überwiegend geteilt werden können. Trotzdem reichen diese Übereinstimmungen meines Erachtens nicht aus, dieser Partei die Wählerstimme zu geben.

Drei Punkte sind es, die aus christlicher Sicht eine grundsätzliche Kritik verdienen: eine ideologische Überhöhung der Nation, das Schüren von Ressentiments gegen Minderheiten, hier insbesondere gegen Fremde und Muslime, und ein Antiuniversalismus, der vor allem in den neurechten Zirkeln der Partei gepflegt wird. Eine ausschließlich auf nationale Interessen fokussierte Partei steht dem Christentum entgegen. Das repräsentiert eine die gesamte Menschheit umspannende Heilsverkündung. Die Zentrierung auf die Nation hingegen zieht einen Schnitt durch die Menschheit und konstituiert auf diese Weise einen vor dem christlichen Gott nicht zu rechtfertigenden Partikularismus. Wo der Mensch seine Offenheit gegenüber dem Unverfügbaren verliert, füllt Ideologie das Vakuum auf. Hier sehe ich die Haupttrennlinie zum Christentum.

Die AfD formuliert eine Kritik an der politischen Elite, die auf den Vorwurf hinausläuft, diese habe es auf den Ruin von Staatsgewalt und Volksidentität angelegt. Die AfD ist daher keine Partei, die mit den etablierten Parteien um das Gleiche konkurriert, sondern eine Partei, die mit dem Konsens der „Altparteien“ radikal brechen möchte und sich nicht nur als parlamentarische Kraft, sondern eher als Volksbefreiungsbewegung gegen eine „volksferne unterdrückerische Staatsmacht“ versteht. Die in der AfD populäre Widerstands- und Umsturzrhetorik muss bei Christen zum Nachdenken anregen.

So spricht der thüringische Fraktionsvorsitzende Björn Höcke von der AfD als „letzte evolutionäre Chance des Vaterlands“. Die Deutschen seien gegenüber fremden Kulturen „schlaff und wehrlos“ geworden. Der niedersächsische AfD-Vorsitzende Armin Paul Hampel sagt: „Andere Parteien wollen Zuwanderung nur, damit die Deutschen in einem großen europäischen Brei aufgehen.“ Und der AfD-Parteivize sagt in einer Rede in Elsterwerda am 5. Juni 2016 über Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Es ist eine Kanzler-Diktatorin. Ludwig der Vierzehnte, der Sonnenkönig, hätte sich nicht getraut, was sie sich traut. Dass sie ein Volk völlig umkrempelt und viele fremde Menschen uns aufpfropft und uns zwingt, die als Eigenes anzuerkennen. Das geht nicht.“ AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry sprach in einer Rede am Tag der Deutschen Einheit in Stuttgart im vergangenen Jahr von „Lumpenproletariat der afro-arabischen Welt“.

Diese Beispiele sollen verdeutlichen, dass es der AfD nicht um Kritik an der Flüchtlingspolitik oder an der Agenda ihrer parteipolitischen Konkurrenz geht. Diese Partei ist zum Endkampf angetreten. Ihre politischen Vorstellungen beruhen auf dem Vorrang des Eigenen und nicht auf dem Ausgleich des Ganzen.

Immer wieder verwundert mich, dass Menschen, die im katholischen Milieu beheimatet sind und sich selber als „ultramontan“ bezeichnen, sich also die universale und metaphysische Ausrichtung ihres Glaubens bewahrt haben, der Hybris Nationalismus gegenüber, wie er immer wieder von der AfD anklingt, nicht resistent sind. Das kann durchaus daran liegen, dass sich diese Menschen von der Union – oftmals über viele Jahre ihre politische Heimat – betrogen fühlen. Dass sie heimatlos geworden sind. Im Grundsatzprogramm der Partei taucht das Wort Christentum dann auch immer wieder auf. Schon in der Präambel heißt es, die AfD wolle die „abendländische und christliche Kultur“ dauerhaft erhalten. 2013 trat die Partei vor allem als Kritikerin der Euro-Rettung in Erscheinung. Doch sahen Beobachter sie schon damals als Partei besonders strenger Christen oder gar als deutschen Ableger der amerikanischen Evangelikalen.

Bei den Anhängern der AfD ist eine besondere Nähe zum christlichen Glauben jedenfalls nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Eine Umfrage aus dem Jahr 2015 ermittelte bei 1 103 AfD-Anhängern eine Quote der Konfessionslosen von 54 Prozent – das sind 20 Prozent mehr als der entsprechende Anteil unter allen Deutschen. Selbst Beatrix von Storch, die als Wortführerin des konservativen Christentums in der AfD gilt, sagt, dass sie nicht zu den regelmäßigen Besuchern des Sonntagsgottesdienstes gehöre.

Die AfD repräsentiert keineswegs ein besonders christlich geprägtes Wählerklientel. Als Christ scheue ich mich, die AfD zu wählen, da ich die vielen schrill-abschreckenden Töne aus der Partei bedenklich finde. Eine Alternative für Christen kann sie nicht sein.






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