Mit der Macht des Wortes

Der erste Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel, erläutert im Interview seine Aufgabe. 

Herr Grübel, warum braucht Deutschland einen Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit?

Das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit wird weltweit zunehmend eingeschränkt oder komplett infrage gestellt. Ich halte diese Entwicklung für sehr bedrohlich. Ungefähr drei Viertel der Weltbevölkerung leben in Ländern, in denen es Einschränkungen der Religionsfreiheit gibt. Davon sind vor allem Christen, aber auch Muslime aufgrund ihres großen Anteils an der Gesamtzahl der Weltbevölkerung, am häufigsten betroffen. Die Lage der Religionsfreiheit ist heute angespannter als noch vor zehn Jahren. Das lässt sich etwa am Beispiel des Christentums beschreiben: Christen wurden 2015 in 128 Ländern bedrängt, diskriminiert und sogar verfolgt – 2007 waren es noch 108 Länder. Mit besonderer Sorge sehe ich, dass es in Gebieten, in denen Angehörige verschiedener Religionen lange neben- und miteinander leben konnten, zunehmend Intoleranz, Auseinandersetzungen und auch Vertreibungen zu beobachten sind. Das Thema nun verstärkt auf die Agenda zu setzen, ist also eine wichtige und sehr zeitgemäße Antwort auf eine anwachsende Problematik. Deutschland muss seinen Beitrag leisten, dass das Menschenrecht auf Religionsfreiheit gewährleistet wird.

Was ist konkret Ihr Aufgabenbereich?

Zu meinen Aufgaben gehört es, den Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit, der auf Antrag des Deutschen Bundestages 2016 erstmals vorgelegt wurde, im zweijährigen Rhythmus fortzuschreiben. Dafür werde ich die Entwicklung der weltweiten Religionsfreiheit beobachten und hierbei mit einen systematischen Länderansatz arbeiten. Auch der internationale Dialog gehört zu meinen Aufgaben. Im nächsten Bericht will ich nicht nur fortlaufend dokumentieren, berichten und hinweisen, sondern auch werten und empfehlen.

Welche Länder stehen für Sie und die Bundesregierung im besonderen Fokus und warum?

Ganz aktuell müssen wir uns die Frage stellen, wie es gelingen kann, dass im Nordirak, in der Ninive-Ebene und im Sindjar weiter Christen und Jesiden leben können. Nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“ stehen die Angehörigen religiöser Minderheiten vor den Trümmern ihrer Existenz. Ich habe mir gerade im April ein eigenes Bild von der Lage vor Ort machen können. Es braucht Hilfe beim Wiederaufbau, offen ist auch, wer die Sicherheit der nun in ihre Heimat zurückkehrenden Vertriebenen garantiert. Wir müssen die Frage beantworten, wie ein Aussöhnungsprozess im Nordirak erfolgen kann. Wir müssen eine Lösung finden, wie ein gutes Miteinander oder wenigstens ein friedliches Nebeneinander von Sunniten, Schiiten, Jesiden, Christen und weiteren Religionsgemeinschaften im Norden Iraks möglich ist.

Welche tatsächliche Handlungsvollmacht steht hinter Ihrem Amt?

Ich habe die Macht des Wortes. Ich bin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) angesiedelt und habe Kontakte in das Parlament und in die Bundesregierung. Meine Kontakte werde ich dafür nutzen, um verstärkt auf das Thema Religionsfreiheit aufmerksam zu machen, um notwendige Maßnahmen für die Stärkung der Religionsfreiheit durchzusetzen. Bei meiner Aufgabe fange ich nicht bei Null an: Das BMZ hat bereits Anfang 2016 den Arbeitsbereich: „Religion und Entwicklung“ und die Strategie: „Die Religion als Partner in der Entwicklungszusammenarbeit“ aufgebaut und damit den wichtigen Zusammenhang von Religion und Entwicklung schon hergestellt.

Wie wichtig sehen Sie dieses Thema in Bezug auf die Flüchtlingsfrage?

Religionsfreiheit stärkt den Frieden und mindert Fluchtursachen, denn religiöse Konflikte sind oft Ursache für Vertreibung. Die bei uns lebenden Flüchtlinge sollen in Deutschland erfahren, dass Menschen ganz unterschiedlicher Religion oder Weltanschauung friedlich miteinander leben können.

Wo sehen Sie in Ihrer neuen Funktion Möglichkeiten hier Verbesserungen herbeizuführen?

Ich kann mich dafür einsetzen, dass sich Vertreter von verschiedenen Gruppen an einen Tisch setzen und sich über ihre Ansichten vorurteilsfrei austauschen. Ich kann mir auch vorstellen, als Vermittler zu arbeiten. Im Vordergrund aber wird stehen, in direktem Kontakt zu den Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft weltweit auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Religionsfreiheit zu pochen. Die Religionsfreiheit ist kein Thema des Westens – etwa gibt es auch zum Verhältnis der schiitischen und sunnitischen Muslime zahlreiche Ansätze im islamischen Denken, die diese Frage aufgreifen. Ich bin davon überzeugt, dass es ein Anliegen aller Religionen und Bekenntnisse sein kann – und sein muss – die Freiheit des Bekenntnisses und die persönliche Glaubensentscheidung des Einzelnen zu respektieren. Dies halte ich nicht zuletzt für zentral, da so religiösem Extremismus vorgebeugt werden kann. Die Vermittlung von Offenheit gegenüber anderen Religionen ist also wichtig. Bildung ist hier Schlüsselthema: In Schulen kann man mit kultur- und religionssensiblen Unterrichtsmaterialien mehr religiöse Toleranz vermitteln.

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